Oder auch:
Der Zölibat: Heute noch zeitgemÀ�
Einer meiner Freunde wurde neulich zum Priester geweiht. Passend dazu deshalb heute ein Beitrag zum Zöllibat.
Vorwurf: Die römisch-katholische Kirche verbietet ihren Priestern zu heiraten. Das ist ungerecht! Das verklemmt die Priester. Zudem wird man krank, wenn man seine SexualitĂ€t nicht ausleben kann. Der Zölibat treibt die Priester in die Heuchelei, denn jeder Mensch braucht doch die persönliche NĂ€he eines anderen (Frau oder Freundin). AuĂerdem können unverheiratete Priester die Probleme der Familien gar nicht richtig verstehen, da die eigene Erfahrung fehlt. Und ohne Zölibat gĂ€be es heute auch keinen Priestermangel … Oder?
1. Der Zölibat verhindert ein glĂŒckliches LebenâŠ
Richtig: Um gesund zu bleiben, braucht jeder Mensch eine Liebesbeziehung zu einem ande-ren Du. Ohne Liebe welkt der Mensch wie eine Blume ohne Wasser. Man verstĂŒnde aber den Zölibat völlig falsch, wĂŒrde man ihn als Verbot zum Lieben, als »Nicht-Lieben« auffassen, als gesetzlich verordneten Verzicht auf intime Beziehung und Freundschaft. So wie der Ehemann seine Frau liebt und ganz fĂŒr sie da ist, so liebt und lebt der zölibatĂ€r lebende Priester ganz â »mit Haut und Haaren« â fĂŒr Christus. Der Priester liebt darum nicht weniger als die Eheleute, sondern vielleicht sogar mehr und intensiver. Denn in der Ehe muss sich die Liebe des Menschen (bildlich gesprochen) »teilen« â nĂ€mlich zwischen dem Partner und Gott. Durch den Zölibat kann der Priester ganz ungeteilt fĂŒr Christus leben (vgl. 1Kor 7,32-34).
2. Der Zölibat macht krankâŠ
Es ist richtig, dass jeder (normal veranlagte) Mensch sexuelle Neigungen besitzt. Auch der Priester. Und die falsche UnterdrĂŒckung dieser Neigungen kann zu negativen Folgen fĂŒhren. Aber ebenso richtig ist, dass unsere leiblichen Triebe auf höhere Ziele hingelenkt werden können. Wer war noch nie von einem Buch so gefesselt, dass er darĂŒber das Essen vergessen hat? Oder von einem Film oder einem FuĂballspiel? Haben wir da das »Nicht-Ausleben« unseres Esstriebes als etwas »krampfhaftes« empfunden? Wohl nicht. Genauso ist es mit der SexualitĂ€t des Priesters: Es geht hier nicht um ein negatives UnterdrĂŒcken eines Triebes, sondern um die positive Ausrichtung seiner ganzen Kraft auf ein höheres Ziel aus â nĂ€mlich auf die Liebe zu Gott.
Einwand: Aber sieht die RealitÀt nicht ganz anders aus? Gibt es nicht viele Priester, die den Zölibat als etwas Negatives empfinden?
Ein Taschenmesser ist etwas Ă€uĂerst hilfreiches â aber nur, wenn man sorgfĂ€ltig damit um-geht. Sonst kann es sogar zur Gefahr werden. Genauso der Zölibat: Bei »sorgfĂ€ltigem Gebrauch« â d. h. wenn der Priester seine Liebesbeziehung zu Christus pflegt und ihr den wichtigsten Platz in seinem Leben einrĂ€umt â bedeutet der Zölibat eine echte Bereicherung fĂŒr das eigene Leben. Andernfalls freilich kann er zur Last werden. Der mögliche Missbrauch einer guten Sache ist aber kein Argument gegen die Sache selbst. Sonst mĂŒsste der Staat auch das Autofahren verbieten, weil manche Autos im StraĂengraben landen.
3. Der Zölibat fĂŒr Priester ist eine Erfindung des MittelaltersâŠ
Falsch. Bereits auf der Synode von Elvira (um 300) wird der Zölibat fĂŒr Priester verpflichtend erwĂ€hnt. Und frĂŒher? Stammt diese Idee wirklich von Jesus? Es ist zwar richtig, dass z.B. Petrus ursprĂŒnglich verheiratet war (Mk 1,30 erwĂ€hnt seine »Schwiegermutter«), aber wenn man die Bibel aufmerksam liest, liegt der Schluss nahe, dass die JĂŒnger â wenn sie verheiratet waren â nach ihrer Berufung zum Apostel ihr eheliches Leben aufgegeben haben. Der Beweis: Jesus verlangt von seinen JĂŒngern fĂŒr die engere Nachfolge ausdrĂŒcklich, »Haus oder Frau, BrĂŒder, Eltern oder Kinder« zu verlassen (Lk 18,29). Und an anderer Stelle bestĂ€tigt Petrus genau dies fĂŒr die Apostel, wenn er sagt: »Du weiĂt, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt« (Mt 19,28). Dazu kommt: Die missionarische AktivitĂ€t der Apostel nach der Himmelfahrt Jesu wĂ€re mit der gleichzeitigen Erziehung von Kindern unmöglich gewesen. Können wir uns vorstellen, dass die Apostel »RabenvĂ€ter« waren?
Einwand: Paulus schreibt, ein Priester solle der »Mann einer einzigen Frau« sein. Also lebten die Priester offensichtlich im Ehestand.
TatsĂ€chlich heiĂt es in 1Tim 3,2, Bischof könne nur werden, wer »Mann einer einzigen Frau« sei. Dasselbe wird 10 Verse spĂ€ter fĂŒr den Diakon verlangt (1Tim 3,12) und in Tit 1,6 fĂŒr die Presbyter (Priester). Allerdings ist diese Stelle kein Argument gegen, sondern fĂŒr den Zölibat. Paulus betont hier, dass Bischof/Priester/Diakon nur werden kann, wer nur einmal verheiratet sei. Eine erneute Heirat nach dem Tod ersten Ehepartners wĂ€re ein Hindernisgrund fĂŒr die hl. Weihen. Warum diese Regel? Eine sinnvolle ErklĂ€rung ist nur möglich, wenn die Priester tatsĂ€chlich von Anfang nach der Ăbertragung ihres Amtes auf eine Fortsetzung ihrer Ehe verzichtet haben, d.h. enthaltsam gelebt haben. Eine zweite Heirat wurde als Zeichen fĂŒr die offensichtliche UnfĂ€higkeit zum enthaltsamen Leben gewertet â und darum als Ausschlusskriterium fĂŒr die hl. Weihen angesehen. Das Pauluszitat ist nur dann schlĂŒssig, wenn die Enthaltsamkeit eine Voraussetzung fĂŒr das Priesteramt war.
BestĂ€tigung durch 1Kor 9,5. Einen interessanten Hinweis zu genau dieser Thematik finden wir in 1Kor 9,5, einer Stelle, die manchmal gegen den Zölibat angefĂŒhrt wird. Paulus erklĂ€rt dort in Bezug auf seine Missionsreisen: »Haben wir nicht das Recht, eine glĂ€ubige Frau mitzunehmen, wie die ĂŒbrigen Apostel und die BrĂŒder des Herrn und wie Kephas (= Petrus)?« Hat also Petrus doch zusammen mit seiner Ehefrau das Evangelium verkĂŒndet? Im griechischen Originaltext stehen fĂŒr »Frau« die Worte »adelphe gynaika«, eine »schwesterliche Frau« oder: »Frau als Schwester«. Kann damit wirklich ganz einfach eine normale Ehefrau gemeint sein? Eher ist damit wohl angedeutet, dass diejenigen Apostel, die vor ihrer Berufung schon verheiratet waren, nach ihrer Berufung wie Bruder und Schwester zusammenlebten.
Das Zeugnis der KirchenvĂ€ter. In genau diesem Sinn Ă€uĂert sich Epiphanius von Salamis (315-403): »Meistens ist die Priesterschaft aus den Reihen der JungfrĂ€ulichen zusammengesetzt, oder wenn nicht aus JungfrĂ€ulichen, dann sicher aus Mönchen. Wenn aber aus der Ordnung der Mönche sich keine Geeigneten zur Verwaltung jenes Dienstes finden, so pflegt man die Priester aus denen zu wĂ€hlen, die sich ihrer Frauen enthalten oder nach nur einer Ehe im Wittwerstand sind« (Expositio fidei 21; PG 42,824). Freilich, schon damals gab es MissstĂ€nde. Auch Epiphanius musste zugeben: »Mancherorts zeugen Priester, Diakone und Subdiakone noch Kinder. Doch das entspricht nicht der kanonischen BestimmungâŠÂ« (Haer. 59,4; PG 41,1024). Trotzdem ist die Zölibatsregel schon in dieser frĂŒhen Zeit ganz eindeutig.
4. Ohne den Pflichtzölibat gĂ€be es in der Kirche genĂŒgend Priester…
Als Gegenargument dazu genĂŒgt ein Blick auf die protestantischen Kirchen: Dort gibt es ver-heiratete Pastoren â und gleichzeitig ist der Mangel an Seelsorgern noch gröĂer als in der römisch-katholischen Kirche.
5. Gott hat die SexualitĂ€t als etwas Gutes geschaffen. Sie abzulehnen, bedeutet, eine Gabe Gottes zu verachten…
Es stimmt natĂŒrlich, dass die SexualitĂ€t etwas Gutes ist (wenn sie in der gottgewollten Ordnung gelebt wird). Sonst hĂ€tte Gott sie nicht erschaffen. Wenn jemand nicht heiratet, weil er den ehelichen Verkehr fĂŒr grundsĂ€tzlich schlecht hĂ€lt, dann wĂ€re das nicht katholisch. Aber man kann auf etwas Gutes und Schönes fĂŒr sich selber verzichten, um freier zu sein fĂŒr etwas noch Höheres. Auf diese Weise verzichtet der Priester auf das GlĂŒck der Ehe, um durch die vollkommene und ungeteilte Hingabe an Christus ein noch höheres GlĂŒck zu erlangen. Darum: Der Verzicht auf die Ehe ist nur dann wertvoll, wenn er tatsĂ€chlich aus Liebe zu etwas GröĂerem â zu Gott â geschieht. Den Zölibat des Egoisten dagegen, der nur deswegen nicht heiraten möchte, weil er sonst sein Geld mit jemandem teilen mĂŒsste (oder sich um die Kinder sorgen muss), lehnt die Kirche ausdrĂŒcklich ab.
Die SexualitĂ€t ist mit einem Wildbach in den Bergen vergleichbar. Der Bach verschönert und bewĂ€ssert die Landschaft. SpĂ€ter flieĂt er in einen Fluss, der Schiffe trĂ€gt und schlieĂlich ins Meer mĂŒndet. Ein Bild fĂŒr die Ehe. Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit: Talsperre. Das angestaute Wasser versorgt ein ganzes Land mit Licht und Kraft.
5. Man kann keinen Menschen zum Zölibat zwingen…
Richtig. Dasselbe sagt auch die Kirche. Niemand wird gezwungen, Priester zu werden. Wenn aber jemand in der Kirche Priester werden will, darf die Kirche auch die »Spielregeln« dazu aufstellen. Oder nimmt es jemand dem FC Bayern ĂŒbel, wenn er von seinen Spielern ohne Ausnahme verlangt, auf Rauchen zu verzichten? … Man kann doch niemandem das Rauchen verbieten…!? (Das Beispiel hinkt natĂŒrlich: Die Ehe ist nicht ungesund.)
Man kann die Sache aber auch von der anderen Seite betrachten: Taugt jemand fĂŒr den Priesterberuf â d.h. fĂŒr diese einzigartige Beziehung zu Gott â wenn er nicht bereit ist, fĂŒr diesen Ruf auf das GlĂŒck der Ehe zu verzichten?
Ganz abgesehen davon: Der Priester kann seinen Pflichten gegenĂŒber seiner Gemeinde viel besser erfĂŒllen, wenn er nicht zusĂ€tzlich durch die Verantwortung fĂŒr eine Familie gebunden ist. Nur so wird er zu jeder Tages- und Nachzeit »verfĂŒgbar« sein, wie es seinem hohen Amt entspricht.
6. Der verheiratete Priester wĂŒrde die Eheleute viel besser verstehen…
Wirklich? Taugt als FuĂballreporter nur ein ausgedienter Profi, der schon 100mal selber auf dem Platz stand? Oder ist uns der Berichterstatter, der schon 10.000 Spiele begeistert kommentiert hat, nicht viel lieber â auch wenn ihm die persönliche Erfahrung auf dem Platz fehlt?
Es ist richtig, dass der Priester die Familie nicht aus eigener Erfahrung kennt (abgesehen von seiner Kindheit). HeiĂt das aber, dass er die Probleme der Familie nicht kennt? Vielleicht kennt er sie sogar viel besser, weil er nicht nur in eine, sondern in hunderte Familien Einblick hat. Vertrauen wir nur dem Arzt, der selber krank war, oder nicht eher dem, der Medizin studiert und viel Erfahrung bei anderen Patienten gesammelt hat?
Zugegeben: Die Kirche könnte die Verpflichtung der Priester zum Zölibat aufheben. WĂŒrde sie aber damit sich â und vor allem: den Priestern selber â einen Gefallen tun?
Der Zölibat ist kein Hindernis der Liebe, sondern die Entscheidung fĂŒr die totale Liebe. Jeder, der zölibatĂ€r lebt, kann sich das schöne Wort der kleinen heiligen Theresia zu eigen machen: »Ich habe es nie bereut, mich fĂŒr die Liebe entschieden zu haben.«
LektĂŒre-Tipp:
Marc TREMEAU: Der gottgeweihte Zölibat, Jestetten 1979 (Kurzes BĂŒchlein; zwar schon etwas Ă€lter, aber immer noch lesenswert.)
Stefan HEID: Zölibat in der frĂŒhen Kirche. Die AnfĂ€nge einer Enthalsamkeitspflicht fĂŒr Kleriker in Ost und West. 2. Aufl. Paderborn 1998. (DAS Buch fĂŒr den Nachweis der Ur-sprĂŒnge des Zölibats in der Urkirche.)
Dieser KIK (Katholisch im Kreuzfeuer) wurde von P. Markus Chrstoph SJM mit freundlicher Genehmigung zur Publikation zur VerfĂŒgung gestellt. Andere KIK-Artikel und weite Infos gibt es auf der Hauptseite.
Bildquelle: Mit freundlicher Genehmigung vom Nachbarblog Sacerdos Viennensis. Dort gibt es noch viele weitere schöne Bilder! Ein Besuch lohnt sich! đ